Interview mit Bianca Fuhrmann: Projekt-VOODOO®

Interview mit Bianca Fuhrmann, Autorin des Buches „Projekt-VOODOO® – Wie Sie die Tücken des Projektalltags meistern und selbst verfahrene Projekte in Erfolge verwandeln“

Die Projektmanagementexpertin Bianca Fuhrmann konnte kürzlich Ihr Buch „Projekt-VOODOO® – Wie Sie die Tücken des Projektalltags meistern und selbst verfahrene Projekte in Erfolge verwandeln“ auf der Frankfurter Buchmesse vorstellen. Für unsere Leser konnten wir Frau Fuhrmann für ein Interview gewinnen.

Projekt-VOODOO

© Projekt-Voodoo® Buch aus dem GABAL-Verlag

Frau Fuhrmann, in Ihrem Buch veranschaulichen Sie das für viele doch sehr trockene Thema Projektmanagement. In welchem Zusammenhang sehen Sie die in Haiti praktizierte Volksreligion und die erfolgreiche Durchführung von Projekten hierzulande?

In der Tat ist der Zusammenhang größer, als der erste Eindruck es vermuten lässt. Denn es gibt mindestens zwei Parallelen. Als Projektcoach werde ich hauptsächlich gerufen, wenn im Projekt nichts mehr geht, wenn das Projekt quasi an der Wand steht und die Verzweiflung schon tiefe Falten in die Gesichter meiner Auftraggeber gezeichnet hat. Und dann erlebe ich sehr oft, dass man sich am liebsten ein Wunder, ein bisschen Voodoo oder Hexerei wünscht, damit die verzwickte Situation schnell und ohne Gesichtsverlust gelöst wird. Ein ähnliches Anliegen hat man bei der Geisterbeschwörung in der Voodoo-Religion, bei der Lösungen gewünscht werden, die besonders schnell zum Erfolg führen sollen.

Aber es gibt noch einen wichtigeren Vergleich. Wie auch in der Voodoo-Religion, die ursprünglich zum Heilen gedacht ist, geht es im Projekt-Voodoo® um real existierende Menschen. Für mich ist der wichtigste Erfolgsfaktor im Projekt der Mensch. Jedes Projekt steht und fällt mit den Menschen, oder haben Sie schon mal gehört, dass eine Checkliste eine Projektkrise ausgelöst hat? Ich nicht!

Aber, um es gleich zu betonen: Nein, ich betreibe keine Voodoo-Religion, um Projektkrisen zu meistern, da gibt es bessere Methoden!

Nach unserem Empfinden ist das Bewusstsein für das Thema Projektmanagement in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. In Schulungen und Tools finden Projektmanager Unterstützung. Woran liegt es nach Ihrer Einschätzung, dass weiterhin viele Projekte scheitern?

Das ist eine spannende Frage. Genau das beobachte ich auch. Seit 15 Jahren leite und begleite ich Projekte und die Zahl der geschulten oder sogar zertifizierten Projektleiter ist in der Tat deutlich gestiegen. Aber ich sehe auch noch etwas anderes, was sich äußerst kontraproduktiv auf den Projekterfolg ausübt.

Viele Mitarbeiter werden, unabhängig von ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung, mit dem Gießkannenprinzip geschult. Anschließend erwartet das Management, dass die Projektleiter quasi über Nacht das Wissen löffeln. Um ein guter Projektleiter zu sein, bedarf es aber vor allem eins – Erfahrung! Und um Erfahrung machen zu können, muss man Fehler machen dürfen. Dass es hierzu eine Fehlerkultur im Unternehmen braucht, ist selbstredend.

Nun beobachte ich aber genau das Gegenteil. Oftmals werden die frisch geschulten Projektleiter von ihren Führungskräften gleich mit den richtig schwierigen Projekten beauftragt. Meist geschieht dies ohne doppelten Boden, ohne Coach oder die Begleitung eines erfahrenen Projektleiter-Kollegen. Dass solche Projekte ins Straucheln kommen, ist dann fast schon unausweichlich.

Ich finde es klasse, wenn die Zahl der geschulten Projektleiter steigt. Aber eine Schulung ersetzt nicht die Erfahrung im Projekt. Theorie ist das eine, Praxis das andere!

Ihr Motto lautet „Reden ist Silber. Querdenken ist Gold!“ Könnten Sie Ihr Motto bitte ein wenig erläutern?

Das ist ganz einfach gesagt: Mir wird viel zu viel geredet und zu wenig analysiert. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich von Haus aus Ingenieurin bin, aber ich erlebe meistens dieselbe Situation, wenn ich zu Projekten gerufen werde. Kostbare Zeit verpufft in Meetingmarathons. Es wird geredet und geredet, dabei dreht man sich nur im Kreis. Das Schlimme dabei ist, man verlässt seine eigene Gedankenautobahn nicht mehr und der blinde Fleck für Lösungen wird immer größer. Mein Appell: Denken Sie quer! Denken Sie an alternative Lösungswege, betrachten Sie das Projektsystem, also wie alles ineinandergreift, und analysieren Sie wieder öfter, bevor Sie Abstimmungsmeetings starten. Querdenken eröffnet die Sicht auf Lösungswege, die das Ziel braucht. Und Lösungen finden Sie meistens nicht in irgendwelchen Prozessvorschriften. Es gibt so viele kreative Lösungsmethoden, um schnell mehr Klarheit für das Problem zu bekommen, beispielsweise das Ishikawa-Diagramm oder die Projekt-Voodoo-Puppe.

In diesem Zusammenhang habe ich etwas Spannendes festgestellt. Viele Projektleiter können zwar die Spielzüge des letzten Samstagsspiels ihres Lieblingsfußballvereins visualisieren, aber wenn es darum geht, die Probleme ihres Projektes kurz zu skizzieren, kommen sie ins Straucheln. Das ist schade, denn damit verlieren sie eine kostbare Möglichkeit, Probleme schneller zu lösen. Das Einfachste ist, wenn Sie von Anfang an die Rahmenbedingungen für eine Stimmung schaffen, bei der visualisiert und quergedacht werden kann. Ihr Team und Ihr Projekt werden es Ihnen durch Geschwindigkeit und Transparenz danken.

In Ihrem Buch verwenden Sie sehr anschaulich eine Voodoo-Puppe, um Lösungswege und auch Probleme im Projektmanagement darzustellen. Sie raten Projektmanagern, auch im Sinne des Unternehmens querzudenken und dem Hamsterrädchen zu entkommen. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für das Scheitern von Projekten in Unternehmen?

Da gibt es einige, wie beispielsweise schlechte Kommunikation, unklare Anforderungen, die fehlende Abgrenzung zwischen Zielen und Nicht-Zielen, Politik, Bereichsegoismen oder interne Kompetenzstreitigkeiten. Aber die wichtigste Hauptursache für mich ist das fehlende Vertrauen in die Projektmitarbeiter und in die eigene Person als Projektleiter. Um das zu kompensieren, hält man krampfhaft an Regeln, Checklisten und Prozessen fest, anstatt sich selber einmal Gedanken zu machen, was das Problem jetzt wirklich braucht. Querdenken, ein Perspektivenwechsel und die systematische Analyse der Alternativen bringen oftmals viel mehr, als wenn man nach den bekannten „Hausmitteln“ greift.

Glauben Sie mir, wenn Sie öfters zur Lösungssuche Ihre Projektmitarbeiter involvieren, dann bekommen Sie ein unschlagbares Team. Meine Erfahrung zeigt mir, dass das Team schlauer ist als jeder Einzelne. Gerade deshalb ist der Mensch für mich der Erfolgsfaktor Nummer eins in Projekten!

Verstehen Sie mich bitte an dieser Stelle nicht falsch. Ich praktiziere solides Projektmanagement, aber wenn das Ziel es benötigt, dann muss man die gängigen Methoden hinterfragen und an die Alternativen denken. Und dabei ist das Team der beste Berater!

Können Sie uns ein Beispiel aus Ihrer Beratungsarbeit nennen, welches umschreibt, wie ein verfahrenes Projekt wieder in Schwung gebracht und erfolgreich umgesetzt werden konnte?

Gerne. Wie bereits erwähnt werde ich besonders oft gerufen, wenn es gilt, festgefahrene Projekte wieder in Schwung zu bringen. Oftmals mache ich dann die Erfahrung, dass im Vorfeld kein Risikomanagement betrieben wurde. Meistens existiert noch nicht einmal ein Notfallplan. Viele Projektauftraggeber entscheiden sich bewusst dagegen, dass sich das Projektteam mit den Risiken auseinandersetzt. Denn dann könnte das Team ja bemerken, dass das Projekt bereits unter ungünstigen Bedingungen segelt. Und genau das würde nur Angst und eine miese Stimmung verbreiten.

Wenn aber der Ernstfall kommt, dann ist die Stimmung sowieso im Keller und das eigentliche Problem meistens außer Sichtweite. Dann braucht man eine Methode, um möglichst schnell wieder ins Handeln zu kommen. Das geht am besten, wenn Sie eine kreative Krisenintervention als Lösungsmethode einsetzen. Hierfür benutze ich recht häufig die Schiffe-Versenken-Methode. Sie ist gut geeignet, wenn die Stimmung gereizt ist und man schnell eine Lösung braucht. Dabei ist es das Ziel, in zwei bis drei Stunden eine Prioritätenliste zu den Problemen zu erarbeiten sowie einen Notfallplan aufzustellen. Am einfachsten funktioniert die Methode, wenn Sie Ihr gesamtes Team in einem kleinen Workshop versammeln und alle aufrufen, das Projektschiff mit seinem aktuellen Zustand möglichst schnell und effizient zu versenken. Wenn Sie wissen, wie Sie das Projekt versenken können, dann wissen Sie auch, wie Sie es bergen können, nämlich, indem Sie überlegen, was Sie tun müssen, damit das nicht passiert. Und schon haben Sie Ihren Notfallplan. Dabei hat die effizienteste Versenkungsmethode die Priorität hoch, die zweitschnellste bekommt die Priorität mittel und so weiter.

In Summe werden auf diese Weise nur circa drei Stunden für die Lösungsfindung investiert. In dieser Zeit wird mit dem gesamten Team hoch konzentriert an der Lösung gearbeitet. Die Belohnung für alle ist es, wieder ins Handeln zu kommen und eine Prioritäten- sowie eine To-do-Liste zu haben. Der Nebeneffekt: Das Team steht hinter der Lösung, da diese aus dem Team selber kommt. Da jeder dabei war, weiß auch jeder Einzelne, was er zu tun hat, demzufolge geht die Umsetzung viel schneller von der Hand.

Und ganz nebenbei: Gerade wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, dann macht es auch mal Spaß, das eigene Schiff zu versenken, um daraus neue Energie für den Lösungsweg zu gewinnen. Denn eine positive Teamstimmung ist der Lösung weitaus nützlicher als Angst und Schrecken.

Nach unserer Erfahrung kommt es oftmals vor, dass Projektmanager sich schwierigen Startvoraussetzungen gegenüberstehen, um Projekte zu meistern. Welche Tipps können Sie als Expertin unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Oh, den Fluch „wir fangen schon mal an“ kenne ich zur Genüge. Da werden Projekte gestartet, ohne dass die richtigen Voraussetzungen geschaffen wurden. Oftmals wird damit auch noch beabsichtigt, Tatsachen zu schaffen oder Ressourcen zu bunkern. Wenn man hier als Projektleiter zwischen die Mühlen gerät, ist der Stress vorprogrammiert. Deshalb mein Tipp: Starten Sie nie ohne eine ordentliche Planung! Und hierzu gehört, dass man sich darüber im Klaren ist, welches die Ziele und die Nicht-Ziele sind und unter welchen Qualitätsansprüchen sie erfüllt werden sollen, wie das Umfeld das Projekt beeinflussen kann, welche Ressourcen (Budget, Projektmitarbeiter, Know-how, Soft- und Hardware) benötigt werden wo die Risiken, aber auch die Chancen des Projektes liegen, welche Zeit Sie für das Vorhaben und seine einzelnen Meilensteine benötigen und welche Puffer Sie haben. Wenn das alles zusammengetragen wurde, dann hilft ein kritischer Realitätscheck vor bösen Überraschungen.

Das A und O zu Beginn sind die ordentliche Planung und der kritische Realitätscheck! Und die Konfrontation der Auftraggeber mit der Planung. Nur wenn beide Parteien wissen, worauf sie sich einlassen, und dies gemeinsam absegnen, dann haben sie auch ein gemeinsames Verständnis vom Vorhaben. Der nächste Schritt wäre dann, seinem Team alle Erkenntnisse im Projekt-Kick-off transparent darzustellen und diese nochmals gemeinsam kritisch zu hinterfragen.

Nun haben Sie die Voraussetzung dafür geschaffen, Ihr Projekt erfolgreich zu starten.

Kurz-Vita
Bianca Fuhrmann, Diplom-Ingenieurin, systemischer Business Coach (SHB), Buchautorin und Vortragsrednerin, ist seit über 15 Jahren Expertin für Projektmanagement und als Projektcoach tätig. Sie ist die Entwicklerin der Projekt-Voodoo®-Strategie. Zu ihren Kunden zählen namhafte DAX-Unternehmen und innovative Mittelständler. Ihr Buch zum Thema heißt: PROJEKT-VOODOO®: Wie Sie die Tücken des Projektalltags meistern und selbst verfahrene Projekte in Erfolge verwandeln. Blog, Infos und Kontakt: www.bianca-fuhrmann.de

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