Plannig Fallacy: Warum Menschen nicht planen können

Warum Menschen nicht planen können

„Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch ’nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.“ Diese Aussage aus Berthold Brechts Dreigroschenoper ist nicht umsonst eines der Lieblingszitate vieler Projektmanager. Denn obwohl eine gute Planung unumstritten mindestens die halbe Miete für ein erfolgreiches Projektmanagement ist, gehen dennoch genügend Projekte schief, überziehen den Fertigstellungstermin um Wochen oder benötigen viel mehr Budget als angenommen.

Nun sind nicht immer ein unfähiges Projektteam, Prokrastination oder politische Schwierigkeiten Schuld, wenn sich ein Projekt verzögert oder mehr Budget verbraucht – der Grund heißt sehr oft „Planning Fallacy“. Der Begriff bezeichnet in der Psychologie die fehlerhafte Annahme, dass Menschen realistisch planen könnten. Eingeführt wurde der Begriff 1979 von den Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky. Das berühmteste Beispiel für Planning Fallacy im Projektmanagement ist wahrscheinlich der Bau der Oper von Sydney: 1963 sollte der Bau fertig sein und sieben Millionen Dollar kosten. Fertiggestellt wurde die Oper 1973, für ganze 102 Millionen Dollar.

Planning Fallacy: Menschen neigen zu optimistischen Fehleinschätzungen

Planning Fallacy betrifft allerdings nicht nur das Projektmanagement. Schon Beispiele aus dem ganz normalen Leben zeigen, dass es mit einer realistischen Planung nicht immer weit her ist. Die Steuererklärung will man bis zum 1. Mai fertig haben? Letztlich wird es doch der 31. Mai. Die Weihnachtseinkäufe sollen bis eine Woche vor Heiligabend erledigt sein? Das letzte Geschenk wird doch erst am 23. Dezember gekauft. Psychologische Untersuchungen zeigen, dass sich Versuchspersonen sogar bei dem Zeitraum optimistisch verschätzen, den sie zum Basteln von Origamifiguren brauchen.

Die gute Nachricht: Der Blick auf internationale Studien zeigt, dass niemand mit dem Problem der Fehleinschätzung allein ist. Roger Buehler befragte Studenten in zwei Studien 1994 und 1995, wann sie ihre Abschlussarbeit abgeben wollen. Die Ergebnisse waren in beiden Studien ähnlich: Die Schätzungen der Studierenden erwiesen sich als zu optimistisch – gingen sie im Durchschnitt davon aus, 39,5 Tage für ihre Arbeiten zu benötigen, gaben sie diese meisten doch erst nach rund 55 Tagen ab.

Psychologische Untersuchungen lieferten noch eine überraschende Erkenntnis: Versuchspersonen waren aufgerufen, sich für eine anstehende Aufgabe jeweils ein Worst Case, ein optimistisches Best Case und ein realistisches Szenario zu überlegen. Die Abschlusstermine, die für das optimistische und das realistische Szenario genannt wurden, unterschieden sich dabei nicht voneinander. Der tatsächliche Abschlusstermin war dagegen in der Regel noch ein bisschen später, als im Worst Case Szenario angenommen.

Gründe für die Selbstüberschätzung

Es scheint also eine universelle Eigenschaft der Menschen zu sein, von zu optimistischen Erwartungen auszugehen. Doch woran liegt das? Ein einzelner konkreter Grund für die menschliche Vorliebe für optimistische Einschätzungen konnte bis jetzt noch nicht identifiziert werden. Die Psychologie geht von drei Hauptursachen aus:

  1. Menschen neigen dazu, sich auf die Gesamtaufgabe zu konzentrieren, nicht auf kontinuierliche Teilaufgaben.Menschen scheinen sehr zielorientiert zu denken und richten ihre Planung am Ziel, etwa dem erfolgreichen Abschluss eines Projektes, aus. Selbst wenn die Planung nun in Teilaufgaben zerlegt wird, werden dabei häufig Aufgaben übersehen, die nicht direkt zur Zielerfüllung beitragen, aber dennoch Zeit und unter Umständen Budget kosten. Ein Beispiel aus dem Alltag: Wer sich vorstellt, in den Supermarkt zu fahren
    und einzukaufen, denkt meist daran, wie er ins Auto steigt, losfährt, ankommt, in den Markt geht und Waren in den Einkaufswagen legt.
    Rote Ampeln, Parkplatzsuche, die Suche nach dem Euro-Stück für den Einkaufswagen – diese Dinge werden bei der Planung vernachlässigt.
  2. Wie lange wir für einen Supermarktbesuch brauchen, können wir in der Regel dennoch ganz gut einschätzen – aufgrund früherer Erfahrungen. Jedoch vernachlässigen es Menschen in der Regel, nicht nur gleiche, sondern auch nur annähernd ähnliche Erfahrungen in ihre Zeit- und Budgetplanung mit einzubeziehen.
  3. Dazu kommt, dass Menschen bei anstehenden Aufgaben nur an die bestmögliche Auflösung denken und schlechte Erfahrungen aus früheren Aufgaben verdrängen. Anders gesagt: Ich weiß zwar, dass ich letztes Jahr für eine ähnliche Aufgabe länger gebraucht habe – gehe aber davon aus, es dieses Mal schneller zu schaffen.

Planning Fallacy vermeiden

Und wie können Projektmanager nun die Gefahr vermeiden, bei der Projektplanung der Planning Fallacy zu erliegen? Zunächst einmal hilft es, sich ähnliche Projekte anzuschauen. Wie lange haben frühere Projekte mit ähnlicher Zielsetzung bis zum Abschluss benötigt und wie viel Budget haben sie verbraucht? Es genügt, wenn diese Projekte auch nur annähernd Ähnlichkeit mit dem eigenen Projekt aufweisen. Zum anderen betrifft Planning Fallacy nur die eigenen Aufgaben, nicht die Aufgaben anderer Personen. Steht ein Projekt an, lohnt es sich daher oftmals, einen externen Experten hinzuzuziehen, der über ausreichend Erfahrung mit ähnlichen Projekten verfügt, aber nicht zu stark in das eigene Projekt involviert ist. Die Einschätzung des externen Experten wird in der Regel realistischer sein als die Eigeneinschätzung.

Weitere Tipps zum Thema finden Sie in unserem Beitrag „Wege zur realistischen Aufwandsschätzung“.

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