Die Szenariotechnik: Weise Voraussicht

Szenariotechnik im PM

Wer wünscht sich nicht manchmal eine Kristallkugel, um in die Zukunft zu sehen? Jeder Projektmanager würde die Schwierigkeiten und unerwarteten Risiken des Projektverlaufs im Vorhinein kennen und könnte sich so geeignete Gegenmaßnahmen überlegen. Mithilfe der Szenariotechnik ist es immerhin möglich, viele unterschiedliche Zukunftsbilder zu entwerfen und daraus Vorgehensweisen für die Gegenwart abzuleiten.

Realistische Zukunftsbilder erstellen

Welche Auswirkungen wird die Einführung eines neuen Produktes oder einer neuen Software haben? Mit welcher Strategie lassen sich die Stakeholder vom aktuellen Projektplan überzeugen? Welche Entscheidungen sollen getroffen werden, wenn das Projektbudget plötzlich gekürzt wird – und welche Konsequenzen werden die jeweiligen Entscheidungen haben? Die Szenariotechnik hilft im Projektmanagement dabei, mögliche Antworten auf diese Fragen zu finden. Mit ihrer Hilfe können Projektteams Entscheidungen vorbereiten, Orientierung über Entwicklungen gewinnen und langfristige Strategien entwickeln und prüfen.

Die Anwendung der Szenariotechnik im Projektmanagement ist noch relativ neu. Der Ursprung liegt im Militärwesen: Clausewitz und andere Befehlshaber der Armee entwickelten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert Techniken, mit denen sie gegnerische Taktiken antizipieren und geeignete Gegenmaßnahmen einleiten konnten. In den 1960er Jahren setzte Herman Kahn die Szenariotechnik erstmals ein, um soziale und wirtschaftliche Zukunftsprognosen zu erstellen. Seitdem gewinnt die Szenariotechnik in der strategischen Unternehmensplanung wie auch im Projektmanagement an Bedeutung.

Obwohl sie Zukunftsszenarien entwirft, ist die Szenariotechnik von einer Glaskugelvorhersage weit entfernt. Ein Szenario, das sich aus dem hypothetischen Zukunftsbild und dem Pfad bis zum Eintreten dieses Zukunftsbildes zusammensetzt, muss immer plausibel und in sich schlüssig sein. Alle Ereignisse und Ereignisfolgen, die zum Eintreten des Szenarios führen, lassen sich eindeutig aus der gegenwärtigen Situation ableiten. Szenarien folgen bestimmten Gütekriterien:

  • Sie sind in sich stimmig und widerspruchsfrei
  • Sie sind stabil
  • Sie sind so unterschiedlich wie möglich

Der Szenario-Trichter

Die Entwicklung verschiedener Szenarien wird häufig als Trichter dargestellt: Das spitze Ende des Trichters symbolisiert den Ausgangspunkt, eine spezifische Problemstellung – zum Beispiel eine Kürzung des Projektbudgets. In der Zukunft öffnet sich der Trichter, mit zunehmenden Abstand zur Gegenwart wird er immer breiter; die Aussagen, die über die Zukunft getroffen werden können, werden immer unsicherer. Auf dem äußeren Rand liegen alle möglichen und vorstellbaren Zukunftsbilder. Je nachdem, wie weit der Trichter in die Zukunft reicht, werden Zwischenschritte eingebaut, um die mögliche Entwicklung in kurzfristigeren Zeiträumen zu analysieren.

Auf dem Rand des Trichters liegen alle denkbaren Zukunftsbilder, die durch bestimmte Ereignisfolgen eintreten könnten. In der Praxis beschränkt man sich allerdings auf drei Typen von Szenarien:

  • Das Best-Case-Szenario, den bestmöglichen Ausgang: Das Projektbudget wird gekürzt, die Ressourcen lassen sich allerdings ebenfalls so weit kürzen, dass das Projekt einen erfolgreichen Abschluss findet.
  • Das Worst-Case-Szenario, den schlimmstmöglichen Ausgang: Das Projektbudget wird gekürzt, das Projekt muss eingestellt werden.
  • Und das Trendszenario, bei dem sich die Entwicklungen der Gegenwart einfach fortschreiben.

Je nach Problemstellung können noch weitere Szenarien in die Strategieentwicklung einbezogen werden.

Acht Phasen der Szenariotechnik

In der Fachliteratur wird der Ablauf der Szenariotechnik in verschiedene Phasen unterteil. Meist finden sich acht Teilschritte, die von der Ausgangssituation bis zur Anwendung der Szenarien auf die Gegenwart führen:

  • Analyse der Probleme und Aufgaben: Welche Probleme stellen sich in der Gegenwart und wofür sollen Lösungen gefunden werden?
  • Einflussfaktorenanalyse: Die Szenariotechnik geht davon aus, dass alle Entwicklungen von externen Faktoren beeinflusst werden. Diese gilt es, zu erkennen.
  • Deskriptorenanalyse: Deskriptoren beschreiben die Einflussfaktoren qualitativ und quantitativ.
  • Trendprojektionen und Szenarienbildung: Welche Entwicklungsmöglichkeiten haben die verschiedenen Einflussfaktoren ausgehend vom Ist-Zustand? Hilfestellung zur Beantwortung dieser Frage geben bekannte Prognosen und Expertenwissen. Zeichnen sich für einige Einflussfaktoren keine klaren Trends ab, sind alle möglichen Entwicklungen als alternative Wege aufzuzeichnen. Die unterschiedlichen Ausprägungen der Faktoren werden mathematisch kombiniert und gebündelt – so entstehen die verschiedenen Szenarien.
  • Szenarioanalyse: Entsprechen die aufgestellten Szenarien den oben genannten Kriterien, sind sie plausibel und konsistent, stabil und möglichst unterschiedlich? Wie hoch ist ihre Eintrittswahrscheinlichkeit?
  • Konsequenzanalyse: Welche Chancen und Risiken sind mit dem Eintritt der verschiedenen Szenarien verbunden?
  • Störungsereignisanalyse: Welche Ereignisse könnten das Eintreten der Szenarien stören oder gar verhindern? Störungsereignisse sind nicht vorhersagbar und nicht planbar. Darunter fallen zum Beispiel Naturkatastrophen oder politische oder wirtschaftliche Umstürze.
  • Aus den Zukunftsbildern werden Leitstrategien für die Gegenwart abgeleitet.

Welche Vorteile bietet die Szenariotechnik nun für das Projektmanagement? Zum einen lässt sie sich auf alle klar abgrenzbaren Problemstellungen anwenden; zum anderen ist eine kreative Methode, um langfristige Handlungsstrategien zu entwickeln. Sie zeigt nicht nur die erwartbaren Entwicklungen auf, sondern die gesamte Bandbreite denkbarer, aber realistischer Tendenzen. Der Nutzen für das Projektmanagement liegt darin, dass Projektleiter und Mitarbeiter für Chancen und Risiken des Projektes sensibilisiert werden. Gleichsam legt die Szenariotechnik den Grundstein, um mit den erkannten Chancen und Risiken umzugehen.

Zu zeitaufwändig oder hilfreich? Welche Techniken nutzen Sie, um Chancen und Risiken eines Projektes abzuschätzen?

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